Und dabei überkommt mich manchmal doch Nostalgie und ich erinnere mich an meine Kindheit und Jugend in den siebziger und achtziger Jahren. Das war nämlich das goldene Zeitalter des Skifahrens als Massensport sogar für Proletarier — zumindest dort, wo es Berge oder wenigstens Hügel gab, und wo es die nicht gab, stapften vor allem deutsche und skandinavische Menschen auf Loipen durch Wälder und über Wiesen. Und hatten manchmal Gewehre dabei: Biathlon. Wald und Knarren. Ein Kriegssport, der nirgendwo so beliebt ist wie in Deutschland und der auf die meisten Österreicher und alle anderen Nationen reichlich bizarr wirkt. Skifahren, das war mir als Kind klar, war das jedenfalls nicht, sondern irgend so eine Piefke-Spinnerei wie Saumagen, Modern Talking und eine Rote Armee Fraktion in einem Nato-Frontstaat. Ich war noch unschuldig, ein brettelnder und Ski fahrender Naturbursche aus den Kärntner Bergen, umgeben von hübscher Landschaft, Nazis und katholischen Austrofaschisten. Schon damals war mir nicht recht wohl dabei, wenn ich an Gruppen von Skianfängern vorbeifuhr, die von brüllenden Skilehrern dazu gedrängt wurden, auf den Ruf »Ski« Deutsche Bauern Ficken Ihre Mägte einem donnernden »Heil« zu antworten. Das Gebrüll jagte mir eine Heidenangst ein. Was der resche Skilehrer der Touristin war, waren Zimmermädchen, Bardamen, Rezeptionistinnen und alle anderen im Tourismus beschäftigten Frauen dem Touristen. Vor allem aber waren sie berüchtigte Arbeitgeber: Im Wintertourismus zu arbeiten, versprach ein gutes Einkommen, aber das wurde nicht nur durch fast permanente sexuelle Belästigung erkauft, sondern auch durch inhumane Arbeitszeiten. Monatelanges Durcharbeiten ohne einen freien Tag war der Deal, auf den sich einlassen musste, wer am Geschäft mit den Wintertouristen mitverdienen wollte, und sei es nur als Tellerwäscher. Der aufmerksamen Leserin wird inzwischen aufgefallen sein, dass ich die Vergangenheitsform benutze. Das liegt daran, dass es mit dem Wintersport bald vorbei sein wird in den Alpen. Sogar eher begriffsstutzigen Zeitgenossen fällt inzwischen auf, wie rasch die Klimaerwärmung voranschreitet und dass selbst die modernsten Schneekanonen wenig gegen Winter ausrichten können, in denen Plusgrade zur Regel und winterliche Verhältnisse zur Ausnahme werden. Die klimatischen Veränderungen sind so stark, dass sie inzwischen sogar Auswirkungen auf die sportlichen Leistungen Österreichs haben. Der »Skination«, wie sie sich selber gerne nannte, gehen die Nachwuchstalente aus, denn Skifahren ist inzwischen wegen des Einsatzes immer komplexerer Beschneiungstechnologien so teuer geworden, dass es immer mehr zum exklusiven Vergnügen der Wohlhabenden wird. Und weil immer weniger Schnee fällt und liegenbleibt, können die ärmeren Schichten auch nicht wie noch in meiner Jugend auf irgendwelche Wiesen ausweichen, um das Skifahren zu erlernen. Ich selber stand übrigens zuletzt vor über 25 Jahren auf Skiern, bei einem Schulskikurs. Danach verlor ich das Interesse daran. Ich zog in die Stadt und tauschte landschaftliche Schönheit gegen urbane Zivilisiertheit, was ich bis heute nicht bereue. Vor einigen Tagen fuhr ich mit dem Auto in jenes kleine Skigebiet, wo ich als junger Mensch viele Tage verbracht hatte. Im Gepäck hatte ich Martin Heideggers Aufsatz »Schöpferische Landschaft — warum bleiben wir in der Provinz« — ein Aufsatz, der mit jedem Satz dümmer wird und sich in ein romantisierendes Naturdeppentum steigert, das in Winternächten wilde Schneestürme um Hütten rasen lässt und philosophisches Denken Deutsche Bauern Ficken Ihre Mägte dem Widerstand der Tannen gegen Schneestürme vergleicht. Skifahren war für Heidegger das Erleben von Heimat und Natur, und beides hat er doch nur konstruiert und nicht einmal als das wahrgenommen, was es schon zu seinen Zeiten war. Was Heidegger als »Natur« missverstanden hat, war eine durch Bewirtschaftung geprägte Kulturlandschaft, die genauso sehr oder genauso wenig natürlich ist, wie es Wolkenkratzer sind. Heideggers Quatsch noch frisch im Kopf, stieg ich aus dem Auto und sah mich um. Auf den Pisten, auf denen ich einst gen Tal schlitterte, wird dann vielleicht Wein wachsen, und aus Hoteliers werden wieder Bauern werden. Die Zimmermädchen und Skilehrer werden wieder Mägde und Knechte. Es sei denn, sie hauen rechtzeitig ab und lassen die alpinen Einöden so hinter sich, wie die zivilisierte Menschheit Heidegger hinter sich gelassen hat. Ausprobiert, die Serie über Sportarten. Teil Skifahren. Das einst gängige Hardcore-Skifahren ist vorbei — und der Massensport bald auch. Von Bernhard Torsch. Mehr Sport. Andreas Rauscher und Tom Uhlig. Zionist Antifa Berlin. Jungleblog Abonnieren Shop.
Ski heil, ficken und Heidegger
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